West-Kanada am Schnürsenkel.

Wer sich vornimmt, Kanada zu bereisen, sollte sich erstmal über die Entfernungen klar werden. Das zweitgrößte Land der Erde durchquert man nicht in einem Monat - schon garnicht, wenn man auch etwas erleben will. Die über fünftausendzweihundert Kilometer, die wir in dieser Zeit mit dem Auto abgerissen haben, sind in kanadischen Maßstäben nichts Besonderes (hier ein paar Übersichtskarten).
Allein Super, Natural British Columbia hat soviel Sehenswertes zu bieten, daß man eine Auswahl treffen und sich zur Not einiges fürs nächsten Mal aufheben muß.
Unsere Route entwickelte sich also operativ mit folgenden geografischen Eckpunkten:
Vancouver, Vancouver Island, Bella Coola, Highway zwanzich, Kamloops nach Revelstoke, Mount Revelstoke, Glacier und Yoho National Parks, Icefields Parkway, Arrow Lake, Sandon und Kaslo, Nelson, Hope und auf Highway 3 zurück nach Vancouver. Und hier zu den Details.

In Vancouver - der attraktivsten Großstadt Kanadas

Im Bus wird passend gezahlt. Der Betrag wird in den Schlitz der Blechkiste geworfen und man bekommt den Fahrschein. Wie achtundneunzig Prozent der anderen Angespülten mußten auch wir zurück in den Kiosk des Flughafens, wo die Verkäuferin schon mit den Augen rollte - und dann hatte ich auch noch zuwenig umgetauscht! Freundlich-beharrlich nötigte mich der Busfahrer, einzuwerfen was ich hatte und reichte uns die Fahrkarten - was für nette Menschen hier leben! Diese Buslinie ist ein Verlustgeschäft.
Im versteckten Urban Hideaway Guesthouse, einem zwischen Neubauten eingequetschten gemütlichen alten Holzhaus mit knarrenden Dielen, wurden wir ebenso freundlich empfangen. Und im wohl häßlichsten aller Zimmer gewann der erste Teil der Route langsam an Kontur.
Aber zunächst blieben wir ein paar Tage in der Stadt, die Umstände wollten es so. Das heutige Vancouver ist nach dem britischen Kapitän benannt, der die Bucht als erste Langnase auf seiner Suche nach der Nordwestpassage um siebzehnhundertzweiundneunzig anlief. Das alte Gastown, aus dem die Stadt hervorging, ist nach seiner Wiederherstellung dank zahlloser Souvenirläden der Touristenmagnet. Die endlosen Straßen der Stadt im Schachbrettmuster mit Restaurants und Starbucks-Filialen schienen anfangs nicht besonders einzigartig. Wie kann man uns Großstädter beeindrucken? Aber dank der Lage zwischen Wasser und Bergen hat "Van" noch andere Reize, wie wir auf unserer einzigen Fahrradtour und den Spaziergängen am False Creek, den man mit den klitzekleinen Aquabussen überqueren kann, feststellten. Trotzdem, viel zu viele Leute hier.
Als wir endlich den Leihwagen in Empfang genommen hatten, begann die Einkaufstour: Zelt, Isomatte, Kocher, Topfsatz und Geschirr (dieser Dinge wegen bin ich nun erstmals Mitglied in einer Kooperative), nicht zu vergessen die erste Nahrungs- und Bierration. Und bald ging es auf die Fähre zur großen Insel. Endlich allein mit der Natur?

Bei Walen und Tümmlern auf Vancouver Island - langsam wird's tierisch

Nach eineinhalb Stunden Fährfahrt waren wir auf der größten Pazifikinsel Nordamerikas. Es war Mittag und die Einsamkeit noch fern. Auf dem Weg gen Westen an die Pazifikküste von Vancouver Island füllten wir die Vorräte auf und machten uns mit den Campinggebräuchen des Landes vertraut. Wo Camping draufsteht, ist nicht unbedingt Camping drin - nicht nach unseren Maßstäben jedenfalls (siehe unten). Die Insel ist viel zu leicht zugänglich, die wenigen Campingplätze am Weg waren voll. Es wurde spät, so führte uns eine Kurzschlußreaktion meinerseits (immer auf der Suche nach dem schönsten, nicht unbedingt komfortabelsten Platz) ab von der Straße in Logger's Country, eine buschbestandene grüne Mondlandschaft aus entwurzelten Baumstümpfen. Kilometerweit ritten wir auf staubiger Schotterstraße, wo wir uns sogar noch verfuhren und erst gegen elf abends am Ziel ankamen: Mussel Beach, einem einsamen und einfachen Campingplatz direkt am Meer. Der Mond schien, die erste Zeltnacht war da, wir entfachten das erste Lagerfeuer, zischten ein paar Bier und starrten hypnotisiert in die Glut, bevor wir uns in die Schlafsäcke mummelten.
Nach kalter, feuchter Nacht erwartete uns ein ebensolcher Morgen, zerknautscht tauchte ich aus dem Zelt. Ein simples Frühstück später rumpelten wir sechzehn Kilometer auf der Schotterpiste zurück in die Zivilisation, nach Tofino. Die Touristenhochburg, die auf einer Landzunge in der Clayocuot Bucht liegt, quoll über, erst nachdem wir den Stellplatz fürs Zelt und den auf der nächsten Fähre gesichert hatten, ging es auf Walschau.
In Ganzkörperschwimmweste und Gummijacke bestiegen wir das Zodiac. Und wir hatten Glück, neben Robben und Seelöwen, die sich auf Felseninseln aalten, sahen wir auch Grauwale, die leider viel zu selten ihre Schwanzflossen zeigten, dafür aber ihrer Natur entsprechend regelmäßig die typische Atemfontäne ausstießen. Schwer zu glauben, daß das alles echt war. Wir buchten dann noch eine Kajaktour für den folgenden Tag.
Der Schlafplatz gleich am Strand hinter einer Hecke war wieder sehr frisch, dementsprechend erholsam geriet die Nacht, dafür waren wir einfach nicht ausgerüstet.
Nach dem Mittag bestiegen wir das Kajak und ließen uns von zwei netten Mädels nach Meares Island geleiten, wo uns ein Pfad durch fast unberührten Urwald erwartete. Die Wasserwand, die auf der Hinfahrt gedroht hatte, war unerwartet bläulichem Himmel gewichen, Tofino hat sein eigenes Wetter.
Das bewies sich am nächsten Morgen, als dichter Nebel über der Bucht lag, nun, es war sowieso Zeit zur Abreise. Am McMillan Provinzpark hatte der Sommer aber wieder die Oberhand. Im Cathedral Grove durchstreiften wir ein Stück Urwald mit jahrhundertealten Baumriesen, während auf der Straße, die den Park zerschneidet, die Holztransporter geräuschvoll vorbeirumpelten.
Den Rest des Weges erledigten wir recht zügig und oberhalb von Campbell River wurde auch der Verkehr merklich weniger.
Nur zufällig bekamen wir noch ein Zimmer in Port Hardy, trotz zahlreicher Telefonate aber keins am Ende der Fährpassage - Musikfestival! Wir machten große Handwäsche, schlürften noch ein paar Bier in der Kneipe und fielen ins Bett.
Am Morgen stellten wir unseres zu den hunderten weiteren Fahrzeugen und begannen die Fahrt zum Festland. Die riesige Fähre glitt gemächlich durch die Passage, während alle Kameras in Bereitschaft waren. Wir sichteten einen Orca in der Ferne, auch einige Grauwale und dutzende Delfinschulen, die an uns vorbeizogen, unter der Schiff hindurchtauchten oder uns ein paar Flossenschläge lang begleiteten. Nach über zehn Stunden legten wir schließlich in Bella Coola an. Wo würden wir schlafen?

Yow! Bei den Nuxalk-Indianern am Ende der Welt

Das erste Hinweisschild war unsers. Oh Wunder! Die Besitzerin des Bella Coola Motel hatte eine große Wiese für Camper gemäht, ein kleines Häuschen mit Wasch- und Kochgelegenheit stand daneben, es knisterte ein feines Lagerfeuer - Endstation.
Alle Hektik und Touristentohuwabohu war vergessen. In den folgenden Tagen schlenderten wir am Wasser umher und beobachteten Fischotter, die sich als Robben verkleidet hatten, zogen durch den Wald, wo wir Bärenspuren fanden und die kanadische Art der Autoentsorgung studierten. Natürlich konnten wir das Discovery Coast Music Festival nicht ignorieren und besuchten die Eröffnungsveranstaltung, die die lokalen Indianer der Nuxalk gaben. Häuptlinge tanzten in festlichen Kleidern, Maskentänze erzählten uralte Legenden. Yow! rief der Moderator nach jedem Tanz, obwohl das Hallo im Bella-Coola-Tal aber Yaoh! gesprochen wird, wie mir ein Nuxalk lächelnd erklärte - der andere war eben ein Verwandter von der Insel.
Das Musikfestival ging das ganze Wochenende, der Straßenrand war zugeparkt wie wohl nur einmal im Jahr, dennoch war genug Platz für alle. Der Samstagabend wurde richtig gut, von Rachelle van Zanten holte ich mir sogar ein Autogramm! Die Freude wurde nur durch Regen getrübt. Überhaupt wollte das Wetter nicht so richtig warm werden mit uns. Kurzentschlossen packten wir schon am Sonntag und machten uns auf nach Osten - wohin auch sonst?! Highway 20, wir kommen!

Wir sind übern Berg - Highway 20 und immer weiter

Bella Coola war noch bis neunzehnhundertdreiundfünfzig vom Osten abgeschnitten. Erst dann hatten ein paar Lokalpatrioten sich zusammengerauft und die zwei Enden des Highway 20 zur angeblich steilsten Straße Nordamerikas verbunden. Ohne sie hätte es diese Rundreise nicht gegeben. Bestimmt hat die Mörderstrecke über den Heckman Pass inzwischen einiges von ihrem Schrecken verloren, wir Drittewelterfahrenen waren garnicht so geschockt, noch war Sommer und das steile Stück Schotterpiste gut instandgehalten. Mehr als drei Autos begegneten uns nicht. Hinter uns schnaufte ein Lastwagen, doch der war bald außer Sicht.
Erst nach dem Paß ließen die dunklen Wolken die Sonne durch und langsam konnten wir uns ein Bild der Borkenkäferplage machen. Große Waldflächen waren schon in rotbraun getaucht. Wir hatten Glück und ergatterten Unterkunft in einem urigen Blockhaus. Die letzten Sonnenstrahlen spiegelten sich im Anahim Lake, die Fische sprangen fröhlich, Milliarden Mücken stachen auf uns ein. Wir zogen uns in die Hütte zurück, machten uns lecker Essen und heizten unnötigerweise dem kleinen Ofen ein. Zum Frühstück dann waren wir einigermaßen erstaunt über die kolonial-gemütliche Atmosphäre im Haupthaus so weit ab der Zivilisation.
Und weiter führte uns der Weg vorbei an türkisfarbenen, klaren Seen durch mancherorts tote braune Wälder oder gespenstische Hänge mit verkohlten stecknadelgleichen Föhrenkadavern - die unendlichen Wälder Kanadas? Diese sogenannten zweiten oder dritten Pflanzungen, geschönte Namen für Aufforstungen toter Brachen nach totaler Abholzung, wie sie auch jetzt noch betrieben wird, sind eben kein gewachsener Urwald. Der wird wie Indianer in Reservaten konserviert.
Am Ende des Highway 20 wandten wir uns südwärts auf der 97 gen Wells Gray-Provinzpark. Canim Falls und Mahood Falls lagen leider schon im Schatten der Bäume, wir tauchten an anderer Stelle wieder in den Park der Wasserfälle ein und konnten gleich neben dem Parkplatz zusammen mit einer Busladung Koreanern die Spahat Falls bestaunen. Man verfolgte uns aber nicht weiter. Fernab des Massentourismus, im Herzen des erschlossenen Teils des Parks angekommen, reservierten wir unseren Zeltstellplatz. In Provinz- oder Nationalparks geht das manchmal so: man besetzt den Stellplatz - so vorhanden - und packt die Gebühr in einen Umschlag, den man in einen Briefkasten zimmert. So einfach.
Auch wenn der Tag schon ziemlich alt war, machten wir uns auf die Wanderung zu einem Höhepunkt des Parks, die hundertsiebenunddreißig Meter hohen Helmcken Falls. Imposant, wie der Boden unter den stiebenden Wassermassen bebte! Und die Regenbögen in der Gischt! Kein Mensch begegnete uns. Auf einem toten Baum direkt an der Klippe entdeckten wir ein Adlernest, natürlich meckerten die besorgten Eltern und flogen Erkundungstouren, bis wir endlich wieder verschwunden waren. Die Zweitausend-Kilometermarke ward an diesem Tage geknackt.
Aufgewacht! Da raschelt was im Busch! A. stieg aus dem Zelt, ich, schlaftrunken, hatte nix gehört. Es war erst sechs Uhr und die Lichtverhältnisse noch nicht ausreichend für einen guten Schuß des ersten Schwarzbären, der sich bei seiner morgendlichen Beerensuche durch nichts beirren ließ. Be bear-aware! Als wenn Touristen, die noch nie mehr als wilde Karnickel gesehen haben, darauf hören würden und die Warnungen und Broschüren ernst nähmen. Vielleicht muß es erst richtig ernst werden.
Ungeachtet dessen machten wir uns nach dem Frühstück auf zu den Dawson Falls, die zwar nicht sehr hoch, aber deswegen nicht minder beeindruckend waren. Auch hier sorgte die Gischt für einen feinen Nebel, der alles herum grünen ließ.
Nach kurzer Wanderung auf der verlassenen Farm der Familie Ray machten wir Station am nördlichsten Punkt der befahrbaren Strecke an einem Blockhaus am Clearwater Lake auf ein Stück Streusel mit Vanilleeis und nen Kaffee. Und weg - was kommt nun noch?

Kahle Hänge, coole Schlitten - Auf dem Trans Canada Highway

Weiter ging es nach Süden, an einem schaurigen Paß blickten wir in die toten Augen des Waldes - ganze Hänge abgebrannt! Nur noch skelettierte Baumleichen. Gewöhnungssache! Einmal sagte uns eine deutsche Auswandererin, die ein Restaurant inmitten einer solchen Einöde betrieb, man wäre froh, wenn die abgestorbenen Bäume wegbrannten, dann könnte endlich wieder Leben entstehen.
Durch die Provinzstadt Kamloops entlang des Trans Canada Highway, der das ganze Land von Ost nach West durchzieht. Hier sahen wir als Zaungäste mal, in wie kurzer Zeit ein Baumstamm zu einer Spanplatte wird - ein Rumpeln und der Stamm ist Mehl. Auf der Suche nach einem schönen Platz zum Zelten stolperten wir über ein Schild zum Skimikin Lake fernab der Route, wo wir eine ruhige Nacht am See verbrachten.
Am nächsten Morgen ließ uns der Eigner eines romantischen Autofriedhofes, den seine Hunde unseretwegen aus dem Bett kläfften, leider nicht ein, die Besitzerin des kleinen Granite Creek Weingutes schon. Hier erstanden wir ein paar Flaschen erlesenen Weins.
In dem schrägen White Post-Automuseum knipste ich mir mal wieder die Finger wund. Während drinnen die restaurierten Karossen aufgereiht sind - man erinnere sich an Herrn Schah ihm seine Autos, stehen draußen auf dem Hof die noch unbearbeiteten Schätzchen, blanke Ästhetik des Verfalls. Wer kann diese Verzückung verstehen?
Ich kam irgendwann wieder zu mir und wir fuhren weiter, bis uns ein großes Schild bremste - Kurts Würste? Das versprach einen leckeren Grillabend!
Wir schafften es bis nach Revelstoke und machten große Münzwäsche mit Trockengang - was für ein Luxus. Auf dem wuseligen Zeltplatz fand sich für uns noch ein Eckchen, flugs zwei Spieße geschmiedet, das Brennholz in der alten Stahlfelge entfacht und plopp! ne Pulle Roten dazu, so macht Grillen Schpass! Noch nen Salat gezimmert und fertig war das Abendmahl. Der Rote schmeckte nach mehr. Gut gesättigt gingen wir in die Horizontale.
Würden wir wieder aufstehen? Was passierte als nächstes? Fragen über Fragen...

Gletscher, Schneefeld und Geröll - das Wandern ist des Deutschen Lust


Tatsächlich war es ein guter Wein gewesen, erfrischt sprangen wir aus dem Zelt, nahmen eine Dusche, denn es waren genug davon da, und schickten uns an, die erste richtige Wanderung zu unternehmen. Der Mount Revelstoke Nationalpark ist angenehm unterbesucht. Den netten Ausblick vom Meadows in the Sky Parkway, den man zuerst bezwingen muß, teilten wir noch, aber allgemein scheinen sich viele Reisende nicht mehr als fünfhundert Meter von den Parkplätzen wegzutrauen - unser Vorteil. Wir nahmen noch nützliche Infos vom Ranger mit, er befand uns sportlich genug für eine längere Wanderung und versicherte uns, das Wasser der Bäche sei gut trinkbar. So ließen wir es angehen.
Wir durchquerten den Hemlocktannenwald und die alpinen Wiesen, erreichten bald unser erstes Schneefeld, wo A. einen kleinen Schneemann erschuf. Schnee im Sommer! Sowas.
Wir tranken aus den Bächen, machten einige Geräusche, um die Grizzy-Familie zu warnen, vor der gewarnt worden war, und trafen Wanderer, die uns zur längsten Route zum Jade Lake rieten. Die Bäume wurden kürzer, je höher wir kamen, man konnte ihnen die winterliche Schneelast ansehen, wir durchquerten Geröll- und Schneefelder und stießen dort auf einige Murmeltiere, die uns neugierig anschauten. Der Ausblick auf den Miller Lake, den wir hatten rechts liegen lassen, wurde immer besser. Mit schwindenden Barrieren übersahen wir alle schneebedeckten Gipfel der Umgebung. Die Schneefelder wurden größer, wir erklommen den letzten Paß, das letzte Schneefeld und hatten endlich den türkisfarbenen Jade Lake unter uns. Kein Schwein störte die Ruhe. Umschau. Fotos. Picknick. Drei Händevoll von der Nußmischung und da war sie wieder, die Kraft zum Abstieg.
Von dort fuhren wir bis zum Illecillewaet-Zeltplatz, der dem Startpunkt der Wanderwege in den Glacier National Park am nächsten liegt. Der war sehr gut besucht, der letzte Platz neben dem Plumpsklo war unserer. Hier ging die zweite Ladung Würstchen von Kurt für uns durch das Feuer. Lustig ist das Zigeunerleben...
Regenschauer vor dem Frühstück? Das Wetter in den Bergen wechselt schnell. Wir ließen uns nicht schrecken, sondern erklommen den Abbott Ridge Trail - tausendvierzig Höhenmeter auf fünf Kilometer Weg gehen in die Beine - zum Glück fanden wir dank unseres fledermausgleichen Hörvermögens einen Bach, an dem wir den vergossenen Schweiß auffüllen konnten. Dabei verfehlten wir den leichteren der zwei Aufstiege, hatten aber den besseren Ausblick auf den Illecillewaet-Gletscher. Erst als ein harschiges, riesiges Schneefeld uns den Weg abschnitt, wurde uns einiges klar. Aber nach ein paar Handvoll stärkender Nußmischung wagten wir die Überquerung an anderer Stelle über Schnee und Fels, begleitet von (warnenden?) Rufen von oben.
Nach einigen Beschwerlichkeiten erreichten wir eine hochalpine Wiese und labten uns an einem Bach. Weiter zum Abbott-Kamm, der letzten Etappe - erstaunlich viel los hier! Oben hatten wir Rundumsicht. Die Freude währte aber nicht lang, erstens rasteten Deutsche schräg unter uns, zweitens fing es an zu regnen uns dann sogar zu krachen - Gewitter im Anmarsch. Wir machten uns auf den Rückweg, nun meldeten sich nach den Oberschenkeln die Knie, doch nach etwas mehr als einer Stunde waren wir wieder unten.
Wir stiegen ins Auto und überquerten den denkwürdigen Roger's Pass. Ich sackte im Besucherzentrum denkwürdige Souvenirs ein, während andere bettelnde Eichhörner fütterten. Wir wechselten die Zeitzone und verloren eine Stunde - menno!
Doch Golden war die Zukunft, das letzte Zimmer in Mary's Motel war unsers und wir fraßen uns beim örtlichen Griechen voll, daß die Schwarte krachte.
Das morgendliche Wetter war unbeständig und besserte sich auch nicht, als wir den Yoho-Nationalpark ansteuerten. So beließen wir es beim Bestaunen der Takakkaw Falls, die sich mirakulöse zweihundertvierundfuffzich Meter in die Tiefe stürzen. Kein Wandertag, sondern weiter nach Osten. Die Rockies warteten schon.
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Menschen, Tiere, Sensationen - In die Kanadischen Rockies

Unglaubliche Szenen spielten sich ab! Zuerst hatten wir einfach so die Grenze nach Alberta überquert. Niemand hinderte uns. Schon waren wir am Lake Louise und fanden den Parkplatz brechend voll, überall Touristen! Ein paar Schritte weiter und wir standen am berühmten See, flankiert vom trutzigen Fairmont Hotel, es regnete leicht und der Victoria-Gletscher verhüllte sich weitestgehend. Das war nicht unser Terrain. Widerlich. Bald machten wir uns auf nach Banff und legten etwas mehr Geld als gewöhnlich fürs Zimmer hin, fraßen uns im Bumper's ordentlich voll und schnarchten ein.
Die Stadt ignorierten wir, hatten Frühstück und machten uns auf den Weg zum Lake Louise. Auf der gemütlichen Nebenstrecke schon der erste Stau - Touristenfalle! Wildes Tier voraus! Ein junger Bär ließ sich bei der Beerensuche nicht von den fotografierenden Schaulustigen am Straßenrand stören. Nicht das Auto verlassen! Aber wer kann da widerstehen?
Am Lake Louise beginnt der zweihundertdreißig Kilometer lange Icefields Parkway, die Panoramastraße durch die kanadischen Rocky Mountains. Auch hier tummelten sich noch zwei Schwarzbären nahe der Straße, später kreuzte sie sogar einer direkt vor uns, sah etwas verwirrt aus - das konnte nicht alles echt sein!
Wir hielten hier und da, um die türkisblauen Seen und ihre Quellen, die grauweißen Gletscher zu bestaunen, am Crowfoot-Gletscher mit dem Bow Lake, passierten den höchsten der hiesigen Pässe, den Bow Pass, und stoppten natürlich am Peyto Lake. Auch hier war der Parkplatz proppevoll, denn nur wenige Gehminuten entfernt liegt die Plattform mit Blick auf die Attraktion, ein langgezogener unwirklich-hellblauer See, umgeben von Wald und Bergen. Wieder mußten wir nur einige Meter vom asphaltierten Herdenpfad abbiegen und waren ganz allein zwischen knorrigen Bäumen auf dem Weg zum See. Unten, auf dem ebenen Zuflußdelta stürmte das Schmelzwasser ins Blau und machte schmutzige Strähnen.

Weiter, vorbei an noch mehr Seen und Gletschern, mit einem Halt an der einzigen Tankstelle auf der Strecke, erreichten wir das touristische Epizentrum des Icefields Parkway, den Athabasca-Gletscher. Einzig diese Zunge liegt quasi auf dem Präsentierteller und ist von der Straße aus zu sehen. Ihr gegenüber kuschelt sich neben dem riesigen Parkplatz das Icefield Center an die Bergflanke. Der Tag war nicht mehr jung. Am nächsten Morgen wollten wir eine Gletscherwanderung machen, in näherer Umgebung gab es keine freie Unterkunft, so fügte sich eins ins andere und schwupps! hatten wir ein Zimmer mit Gletscherblick, da man uns mit dem Preis etwas entgegenkam, zwei breite Betten inklusive.

Kalt erwischt - Wanderung auf der Eiszunge

Der Tag begann in den Schattierungen des Gletschers, auf den wir zum Frühstück blickten, aber der Himmel klarte bald auf. Am Parkplatz unterhalb der Eiszunge trafen wir uns zur Gletscherwanderung, wurden noch gegen Kälte ausgestattet - das Thermometer zeigte neun Grad -, erhielten Steigeisen. Los ging's durch die steinige Grundmoräne, die der Gletscher auf seinem Rückzug freigegeben hatte. Um achtzehnhundertvierundvierzich, in den Jahren der Erschließung der Gegend durch die Langnasen, reichte das ewige Eis noch bis auf die andere Seite des Tals, zu einem kleinen Schild am Parkplatz, der Gletscherschwund wird greifbar.
Wir passierten das weiße Tor, aus dem das mokkafarbene Schmelzwasser schoß und standen am Fuß des Athabasca-Gletschers, der schmutziggrau vor uns aufragte.

Wir schnallten die Steigeisen an und Larry, der Führer unserer sechzehnköpfigen Gruppe, suchte den besten Weg aufs Eis. Wir folgten ihm im Entenmarsch vorbei an oberflächlichen Flüssen, crevasses, den Brüchen im Eis, und Gletschermühlen, die das Wasser gebohrt hatte. Hier und da hielt Larry an, wir scharten uns um ihn und hörten zu. Wenn der Gletscher, der Schwerkraft folgend, den Berg herunterwandert, verhält er sich wie ein Marsriegel in Larry's Hand, Spalten und Risse entstehen. Das rock flour, Felsenmehl, was das wandernde Eis aus dem Berg macht und das den Gletscherseen ihre Farbe verleiht, als auch die Schmutzpartikel, um die herum sich die Schneeflocken bilden, absorbieren die Sonne und schmelzen sich in den Gletscher, daher ist er auch nicht glatt, sondern ziemlich porös. Erst wenn der Schnee vom Winter weggetaut ist, etwa Ende Mai, kann man den Gletscher betreten, vorher kann man die Spalten nicht sehen und das kann fatal werden. Schon im Oktober ist der Spaß vorbei und die Saison zu Ende.
Der höchste Punkt der Wanderung war an einem Aluminiumstab, der ein paar Meter aus dem Eis ragte, schief, als hätte der Hochspringer ihn stehengelassen, eine Markierung etwa zweieinhalb Meter über dem Eis sei vom Juni diesen Jahres! Unglaublich! Bei dieser Geschwindigkeit wäre in einhundert Jahren Schluß mit den Gletscherwanderungen.
Etwas entfernt brummten die Monsterbusse von Brewster, des Massentourismus-Monopolisten hier oben, rauf und runter, Dieselruß zog mir in die Nase. So kann man den Gletscher auch besuchen, zwanzig Minuten Auslauf auf dem Parkplatz im "ewigen" Eis.
Ein paar Leichtsinnige liefen auf eigene Faust auf den Gletscher, es kann Stunden dauern, bis ein Verunglückter aus einer Gletscherspalte geborgen wird, unter Umständen zu spät, wenn man vom Eis umschlossen ist. Daumen hoch, Leute!
Viel zu kurz waren die drei Stunden, ich konnte meiner Fotografierwut eigentlich nicht ausreichend nachkommen. Aber der Tag hatte ja noch nicht fertig!

Familientreffen - Noch mehr Tiere im Safaripark

Das zweite Extra des Tages wartete auf dem Weg nach Jasper. Nach den Athabasca Falls war plötzlich wieder die Straße blockiert - alles voller Touristen, die arme Tiere schmerzlos aufs Korn nahmen! Zwei Maultierhirsche weideten am Wegrand und ließen sich bereitwillig fotografieren. Der Jogger, der die Szene kreuzte, war so erstaunt wie die Tiere, traute wohl seinen Augen kaum. Wir mogelten uns durch die Menge und irrten bald durch Jasper, um Obdach zu finden, tatsächlich, bei einer deutschen Dame bekamen wir das Kellergeschoß vermietet und waren eine Sorge los. In unserer Muttersprache erhielten wir Tips für mögliche Unternehmungen den nächsten Tag. Wir streunten durch die Stadt und beendeten den Tag im Whistler's Pub auf ein paar Bier.
Nachts begann es zu regnen, am trüben Morgen nahmen wir uns die Tips vom Vortag zu Herzen und machten uns auf zu den Miette Hot Springs. Aber zuvor stellten sich uns noch zwei Tierfamilien in den Weg, Dickhornschafe und eine Schwarzbärenmama mit zwei Jungen, die sich von den Zuschauern nicht stören ließen. Krönender Abschluß der Tierschau war der mächtige Wapiti-Hirsch, erst danach durften wir ins heiße Bad steigen. Was noch?

Heiße Pools und dunkle Wolken

Als wir an der heißen Quelle ankamen, war noch keine Sonne zu sehen, die Bademeisterinnen standen eingemummelt um die vierzig Grad warmen Becken. Drei Wechsel ins achtzehn Grad kalte Becken, der Himmel riß auf, wir waren verschrumpelt genug und machten uns wieder auf den Weg.
In den Bergen ist das Wetter ja schlecht vorhersehbar, was gut und ungut sein kann. Am Maligne Lake drohten jedenfalls wieder dunkle Wolken, was die letzten Touristen verscheuchte, nur uns nicht. Während also dunkle Wolken über die Höhen humpelten, hier und da inkontinent ein paar Tropfen verloren oder sich an den Bergspitzen aufrieben und zerfaserten wie Zuckerwatte und als dann wieder die Sonne durchbrach, wandelten wir den Uferweg entlang und sagten den Tieren Guten Abend.

Auf dem Rückweg wartete der Sonnenuntergang mit tollen Effekten auf. Vergeblich versuchten wir, den toten Hirschen am Straßenrand zu melden, kein Förster weit und breit. Wir machten uns ein spätes Abendessen in Jasper in unserem Wohnkeller, nachdem wir locker die 4000-Kilometermarke geknackt hatten. Kann es noch mehr geben?

Ab in den Süden - Parkway rückwärts

Es kommt mir vor als wäre es vor Monaten gewesen. Wir verabschiedeten uns leichten Herzens von Jasper und rauschten den Icefields Parkway südwärts. Ich hatte es noch nicht erwähnt, aber der Entschluß, unsere Zeltplatzbekannten von Bella Coola auf ihrer Farm zu besuchen, war schon gefallen und nun hielten wir auf ihr Heim zu. Wieder vorbei an Gletschern, türkisblauen Schmelzwasserseen blablabla, bis zum Abwinken Sehenswertes, aber wir hielten nur am Athabasca-Gletscher, um zu sehen wie er sich in den wenigen Tagen verändert hatte - unmerklich für's Laienauge.
Rechts ab am Lake Louise, zurück bis nach Revelstoke und dann gen Süden, um eine kurze kostenlose Fährverbindung über den Oberen Pfeilsee zu nehmen, die die Straße ersetzt. Unversehens standen wir im Stau. Wir waren an diesem Abend nicht die Einzigen, die den See überqueren wollten, so mußten wir zwei Fähren passieren lassen, bis Platz für uns war. Inzwischen hatte ich das gesamte Treibholz abgelichtet.

Faule Haut und kleine Fische - Entspannte Tage am Arrow Lake

Gut ausgestattet mit alkoholischen Getränken schreckten wir M. und J. aus der abendlichen Routine, als wir im Dunkeln auf ihre Farm rollten. Natürlich freuten sie sich, daß wir die Drohung unseres Besuchs wahrgemacht hatten. Wir tranken, schwatzten, philosophierten und bekamen schließlich ihr Ehebett zugeteilt und schliefen sehr gut.
Der nächste Tag begann sehr langsam, es war mittlerweile der erste August und Tag vierundzwanzig unserer Reise, irgendwann fuhren wir hinaus zu den heißen Quellen, lungerten in den warmen Pools herum und verschrumpelten, gingen später einkaufen für ein feines abendliches Fressi, zu dem unsere Gastgeber alle Bekannten der Gegend zusammenzutrommeln versuchten. Als der kreative Kartoffelsalat fertig und die Steaks auf dem alten Ofen durch waren, das Lagerfeuer knisterte und Bier und der gute Rote flossen, trafen endlich zwei launige Gäste ein und der Abend wurde gemütlich, der Wein und das Bier flossen und am Ende hörte sogar der Regen auf.
Der nächste Tag begann - o Wunder - gemächlich, ich fand nur Kraft zum Sammeln der weltbesten Fingerhutbeeren und Blaubeeren, mithilfe des jungen Nachwuchses erntete ich genug für ein lecker-fruchtiges Grießbreifrühstück, erst spät konnten wir uns aufraffen, mit J.s Motorboot auf den See zu fahren, tuckerten über den See, beim geräusch- und abgasintensiven Schleppfischen verbiß sich versehentlich ein kleiner Fisch in den Haken der glitzernden Fliege, er erfuhr aber Gnade und durfte weiterleben.

Das mit dem früher aufstehen am folgenden Tag klappte wieder nicht, nach Frühstück und allen Vorbereitungen stiegen wir in den Truck - Rufus und wir zwei Kerle auf die Ladefläche - setzten mit der Fähre über den See und polterten auf der Schotterstraße durch den Wald. Irgendwie erreichten wir eine andere Stelle des langgezogenen Sees und machten die Angeln fertig. Der unermüdliche Hund wollte beschäftigt werden. Ich machte mich mal davon und knipste an einem kleineren See nebenan die umgefallenen Bäume im grünen Wasser und die blauen Libellen.
Als ich zurückschlenderte, krachte neben mir im Wald ein Baum geräuschvoll um und ich wurde gerufen. Unsere Gastgeberin schalt mich, allein in den Wald zu gehen, eine andere Frau mit ängstlichen Augen erzählte von Grizzlyspuren ein paar Kilometer weiter und war offensichtlich von dem Baumfall schwer beunruhigt worden. Sowas.
Nun machte ich mich auch ans Angeln, stieg in den See und warf den Blinker aus, holte ihn wieder ein, hundertmal, und nach ein paar Verhakungen im Grund biß sogar ein kleines Fischlein an, das sich wieder loszappelte - immerhin.
Rumpel-pumpel ging die Fahrt zurück mit dem nassen Hund auf dem Schoß, die Blattfedern federten schlecht. Später, als A. und ich das arbeitsintensivere Blinkerfischen auf dem See versuchten, biß sich nochmal ein kleines Forellchen fest und das machten wir tot, es wanderte aufs Feuer und gab die bescheidene tierische Beilage des Abends ab. Weißwein dazu und Geschwafel.
Feiertag. Uns plagte endlich Fernweh, wer kann solange zwei kleine Kinder bespaßen ohne Ausbildung! Wir planten die nächste Etappe, die Edelmetallsucherpfade lagen vor uns.

Im Rausch der Vergangenheit

Das alte Sandon, mehrmals von Lawinen und Feuersbrünsten zerstörtes einstiges Zentrum des Silberabbaus, war nicht weit. Doch viel ist nicht übrig von der geschäftigen Großstadt des vorletzten Jahrhunderts, eine Initiative privater Unbeirrbarer versucht zu retten was noch nicht zusammengefallen ist. Überall rosten Werkzeugmaschinen, Loren, Kessel, Tresore vor sich hin. Auch ein Dutzend O-Busse aus Vancouvers Straßen hat hier seine letzte Heimstatt gefunden. Romantisch! Ein Fest für mein Kamera-Auge. Das Museum ist fast das einzige intakte Gebäude und sehr interessant.
Nach einer langen kurvigen Fahrt landeten wir in Kaslo am Kokanee Lake. Wir schlenderten durch das nett renovierte Städtchen, das einen kleinen Eindruck von der einstigen Atmosphäre gibt. Am Ufer ist der letzte Raddampfer aufgebockt und zeigt, wie noch bis in die fünfziger Jahre des letzten Jahrhunderts die schlecht zugänglichen Siedlungen der Region versorgt wurden. Der See ist ein Schiffsfriedhof und Tauchparadies.
Wir wollten nicht mehr weit fahren und suchen uns einen Zeltplatz, badeten im Kokanee Lake und machten ein nettes Abendessen am Strand. Und Nelson wartete schon.

Rambo, Tunnel, wilder Lachs

Aber Nelson vergessen wir einfach mal, auch die anderen Dörfer, die wir beim Kilometerfressen auf dem Highway 3 links und rechts liegen ließen. Einen Schock erlebten wir, als uns das Navigationsteil durch die US and A schleusen wollte, erschreckt kehrten wir vor der Grenzpatrouille um und heizten weiter, ganz glücklich, nicht in Zoll und Meile rechnen zu müssen. Aus den moderat temperierten Bergen gerieten wir nun immer tiefer in die heiße, fruchtbare Prärie, die wärmste Region Kanadas, nächster Halt Osoyoos, ungewohnte Bilder. Motorboote und Jetski bretterten über den See. Wir schwitzten. Wollten weiter. Tagesmarke Hope, Heimat von John Rambo.
Nach einer Nacht in einem richtigen Bett bewunderten wir die Othello-Tunnel, die einst für die Eisenbahn in den störrischen Fels gesprengt wurden. Die Natur war doch stärker, jetzt verläuft ein Wanderweg auf der alten Trasse und von den verbindenden Brücken konnten wir die ersten Lachse bei den Versuchen beobachten, die kräftigen Kaskaden des Coquihalla in der engen Schlucht aufwärts zu wandern.
Und das brachte uns zurück auf die Idee mit dem selbstgefangenen Wildlachs. Nach einigen Recherchen stellte sich leider heraus, daß da so kurzfristig nix ging, Lizenzen, Ausrüstung, Führer, tralala, alles schien auf Fischstäbchen hinauszulaufen. Die Tiefkühltruhen der örtlichen Supermärkte bestätigten die Befürchtungen. Doch wir ließen nicht locker. Wir streiften weiter durch Hope, in Peter's unauffälligem Deli dann stand ein bulliger Ureinwohner an der Kasse und sprach mit dem asiatischen Inhaber, hin und her, der Dicke könnte uns nen frischen Fisch besorgen, abends, irgendwann, wartet am Zeltplatz in der Stadt. Hmm. Zu unsicher. Schließlich verkaufte uns der Ladeninhaber lächelnd seinen stocksteifgefrorenen Privat-Lachs und wir machten uns befriedigt auf zu unserem abgelegenen Zeltplatz am Silver Lake. Noch eine Wanderung, ein Bad im eisklaren See, während der Fisch unter der Motorhaube langsam auftaute. Lachsrosa Fleisch. Ohne Kopf und Gräte und Inneres, nur noch in handliche Stücke zu zerteilen und auf den Grill zu legen. Die Omega-3-Fettsäuren trieften weiß aus dem Filet. Der frische Salat mit Feta wartete. Sahne. Erste Sahne.
Nach zwei saftigen Filets mit einer gepflegten Pulle Weißwein waren wir gesättigt, aber nun kam noch der Apfelkuchen, auch die Schokolade mußte weg, Bären wittern ja alles. Auch Bier.
Die Sterne glühten, als wir uns ins Zelt rollten. Doch der vorhergesagte Wetterumschwung kam in dunkler Nacht. Es rumpelte gefährlich und wie mit einer Vulkanaschewolke bezog sich der Himmel. Als die ersten Tropfen fielen, packten wir mit militärisch exakten Griffen unser Hab und Gut zusammen und machten es uns im Auto so gut es ging bequem, just bevor das Gewitter zuschlug. Halbwache Stunden in den Vordersitzen folgten. Tag 31 schlich sich heran.
Das morgendliche Bad im See weckte uns auf und wir machten uns wieder in die Spur, Endstation Vancouver.

Letzte Steifzüge durch Vancouver

Immer dichter wurde der Verkehr, je näher wir der großen Stadt kamen. Das umschlagende Wetter machte den Abschied leichter und verleitete uns zu Hamsterkäufen in meiner Bergwandererausstatterkooperative. Der deutsche Herbst konnte kommen.
In unserer kleinen Herberge bezogen wir nun die geräumige Dachetage und waren sehr erstaunt, wieviel Gepäck sich im Auto angesammelt hatte. Wir machten uns auf zu den letzten Streifzügen. Am Canada Place verabschiedete sich gerade ein Kreuzfahrer und wir erklommen das Harbour Center. Die Aussichtsplattform bietet Rundumblick auf Vancouver. Aber lange Listen von Souvenirs waren noch zu besorgen, also ab nach Gastown, dem Touristenquartier, so abstoßend und anziehend. Was ist Geld gegen glänzende Augen! Nichts. Weg damit.
Nach einem ruhigen letzten Abend mit Bergen von Essen fiel das Aufstehen nicht leicht. Die Möwen kreischten und der Tag war grau und feucht. Die restlichen Klamottenberge waren in viel zu kleine Taschen zu stopfen - wo kam der ganze Kram her? Noch eine allerletzte Einkaufstour, die Zeit rannte plötzlich, das richtige Andenken so schwer zu finden. Dann den ganzen Kram ins Auto und los! Der letzte Kilometerstand als Beweis fotografiert: 5273. Angefangen hatten wir bei 0020.
Wir wurden mit all den anderen Deutschen in den Flieger gebeten und nach ein paar Filmen in Kleinformat und ein paar Portionen verbal veredelten Mikrowellenfraßes war die Reise zu Ende. Plopp. Aus die Maus. Schluß mit lustich.

[] Berlin / August 2008

Anekdoten und was wir (nicht) gelernt haben.

Camping auf kanadisch

Wenn das blaue Hinweisschild Campground am Straßenrand erscheint, ist ein Zeltplatz nah - oder? Welcher unbedarfte Zelturlauber dächte, daß dort für Zelte kein Platz ist? Daß durch deren harten Schotter kein Hering dringt? In der Tat handelt es sich bei näherer Betrachtung zumeist um eine Ansammlung von Stellplätzen für die beliebten Wohnmobile oder die gigantischen Bewegungshäuser mit ausfahrbaren Seitenwänden und allem Schnickschnack. Als Krönung hängt dann hintendran noch der Geländewagen. Ebenso bedrohlich wirken die Wohnsattelschlepper, bei denen der hausähnliche Wohnanhänger auf der Ladefläche des hubraumstarken Trucks eingehängt ist.
In den ausgemachten Touristengegenden mit den gut ausgebauten Straßen sind die fahrenden Wohnungen manchmal sogar in der Überzahl, und trotzdem für quasi jedes Leihfahrzeug das Befahren von unbefestigten Wegen verboten ist, wirbeln sie auch in abgelegeneren Gegenden ordentlich Staub auf.
Und wo schlafen wir? Zum Glück findet sich auf manchem Campingplatz nicht nur zwischen den steil aufragenden Wänden der Camper ein Plätzchen. Je abgelegener, desto besser. Wenn garkeine Straße in der Nähe ist, hat ein kleines Zelt natürlich die besten Chancen, zumal das Zelten auf öffentlichem Grund normalerweise erlaubt ist - Hauptsache, die Bärenlockmittel sind geruchsdicht verstaut!

Auf Safari in Kanada - Der Bär, das unbekannte Wesen

Apropos Bären... Wie gehen Touristen, die ein Leben lang nur Teddies oder hinter Gittern weggesperrte Zootiere kennengelernt haben, mit kuschelig aussehenden Bärchen um? Und wenn sie so ganz harmlos am Straßenrand kleine leckere Beeren knabbern - wer kann da widerstehen, wider Broschüren und drohenden Zeigefingern, aus dem Auto zu steigen?!
Ich jedenfalls tat mich schwer, diese Tierschau - vor allem auf dem Icefields Parkway - anders als in einer Safari mit unwirklich wirklichen Tieren zu sehen. Kennen wir wilde Tiere nicht nur noch aus dem Märchen?
Dankenswerterweise sind die Hinweise für den Fall eines bear encounter, einer Begegnung mit einem Bären, eindeutig zweideutig, da ein Bär ja auch nur ein Mensch ist, verhält sich der eine so, der andere so, jede Reaktion kann falsch oder richtig sein, am einfachsten zu merken daran, ob man überlebt oder nicht.

[] Berlin / August 2008